Der jüdischen Opfer des Naziterrors gedacht

OB Jan Einig war der Hauptredner.

Organisatoren und Mitwirkende der Trauerfeier waren unter anderem (von links): Der Vorstand des Deutsch-Israelischen Freundeskreises (DIF), Pfarrer Werner Zupp, DIF-Ehrenvorsitzender Rolf Wüst, Schüler des WHG, Oberbürgermeister Jan Einig und Dr. Jürgen Ries, Kantor der jüdischen Gemeinde Neuwied-Mittelrhein.

Die Stadtverwaltung Neuwied, der Deutsch-Israelische Freundeskreis um Vorstand Pfarrer Werner Zupp und die Jüdische Gemeinde Neuwied- Mittelrhein mit ihrem Kantor Dr. Jürgen Ries sowie Schüler des Werner-Heisenberg-Gymnasiums (WHG)  gedachten unter Corona-Bedingungen am Synagogen-Denkmal der jüdischer Opfer des nationalsozialistischen Terrors, der mit der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 einen ersten traurigen Höhepunkt fand. In seiner kurzen Einführung betonte Pfarrer Zupp, dass dieses Datum ein deutscher Schicksalstag sei, dessen Bedeutung nie verloren gehen werde.

Oberbürgermeise Jan Einig unterstrich, dass „an jenem 9. November für alle sichtbar der folgenschwere Angriff des Nationalsozialismus auf die Humanität“ begann. „Die Faschisten setzten jüdische Synagogen, Geschäfte und Wohnungen in Brand, zerstörten und plünderten sie. Jüdische Mitbürger wurden erniedrigt, gejagt, misshandelt und ermordet. Der 9. November 1938 bleibt für alle Zeiten ein Symbol des Zivilisationsbruchs, der schließlich zu dem Mord an sechs Millionen Juden führte. Auch hier in dem auf Toleranz und Religionsfreiheit aufgebauten Neuwied gab es Opfer“, so der OB weiter.

Er forderte „Engagement für Freiheit und Toleranz, für die die Werte der Demokratie“, denn man müsse erschreckt feststellen, „dass Menschen jüdischen Glaubens hierzulande wieder zu Opfern werden, dass es zu Anschlägen auf ihre Synagogen kommt. Wir sehen uns wieder konfrontiert mit rechten Parolen, mit Nationalismus und Rassenhass“. Daher mahne der 9. November „eindringlich zum Nachdenken darüber, was wir alle, als Nation, als Kommune und als Einzelne und Einzelner für Frieden, Freiheit und Menschlichkeit tun können“. Einigs Dank galt den Schülern des WHG, die die Kränze niederlegten bevor Dr. Ries das Kaddisch, das jüdische Totengebet, sprach.

 

Die Rede von Oberbürgermeister Jan Einig im Wortlaut

Gemeinsam mit dem Deutsch-Israelischen Freundeskreis gedenken wir schon seit vielen Jahren hier an diesem Ort der schrecklichen Ereignisse in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938. Und wir möchten dies selbstverständlich auch in diesem Jahr tun. Wenn auch mit den notwendigen Einschränkungen als Folge der anhaltenden Corona-Pandemie.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,
es war ein fatales Fanal: Vor 82 Jahren begann an jenem 9. November für alle sichtbar der folgenschwere Angriff des Nationalsozialismus auf die Humanität. Die Faschisten setzten mitten in den Städten gelegene jüdische Synagogen, Geschäfte und Wohnungen in Brand, zerstörten und plünderten sie. Jüdische Mitbürger wurden erniedrigt, gejagt, misshandelt und ermordet. Der 9. November 1938 bleibt für alle Zeiten ein Symbol des Zivilisationsbruchs, der schließlich zu dem Mord an sechs Millionen Juden führte.  

Auch hier in dem auf Toleranz und Religionsfreiheit aufgebauten Gemeinwesen Neuwied gab es Opfer. Auch hier brannte die Synagoge, an die dieses Mahnmal erinnert. Auch hier plünderten Nazi-Horden vor den Augen der Öffentlichkeit jüdische Läden und Wohnungen. Schon in den Jahren zuvor war auch hier in Neuwied ein wachsender  Antisemitismus spürbar. Jene Nacht aber markierte das grausame Ende des friedlichen Zusammenlebens in der Stadt. Die Pogrome vom November 1938 stehen für den Übergang von einer im Nazi-Deutschland beständig wachsenden Diskriminierung der Juden hin zu ihrer systematischen Vertreibung und Vernichtung.
 
So bedeutend das jährliche Gedenken vor diesem Hintergrund auch erscheint, damit allein ist es allerdings nicht getan. Glaubwürdiges Erinnern setzt zudem aktives Engagement voraus. Engagement für Freiheit und Toleranz, für die die Werte der Demokratie. Und es verlangt Wachsamkeit gegenüber deren Feinden.

Denn nicht nur die furchtbaren Ereignisse der Vergangenheit, auch die Nachrichten der Gegenwart führen uns leider wieder vor Augen, wie zerbrechlich das friedliche und freiheitliche Miteinander ist. Erschreckt müssen wir feststellen, dass Menschen jüdischen Glaubens hierzulande wieder zu Opfern werden, dass es zu Anschlägen auf ihre Synagogen kommt. Wir sehen uns wieder konfrontiert mit rechten Parolen, mit Nationalismus und Rassenhass.

Und was tun wir dagegen? Schauen wir angesichts dieser Entwicklungen erneut beiseite, wenn Menschenrechte missachtet, Minderheiten unterdrückt und Andersdenkende verfolgt werden? Wo doch die Opfer von einst uns an einem Tag wie heute an die schrecklichen Folgen erinnern!

Der 9. November mahnt uns also auch eindringlich zum Nachdenken darüber, was wir alle, als Nation, als Kommune und als Einzelne und Einzelner für Frieden, Freiheit und Menschlichkeit tun können. Die Fähigkeit, uns an die Vergangenheit zu erinnern, ist untrennbar verbunden mit der Fähigkeit, unsere Zukunft zu gestalten.  

Und der heutige Tag mahnt uns zum Handeln. Wir müssen dort couragiert einschreiten, wo Mitmenschen, gleich welchen Glaubens, unsere Hilfe brauchen. Niemals dürfen wir gegenüber menschlichem Leid in Gleichgültigkeit verfallen. Wir müssen für unsere freiheitlich demokratische Grundordnung einstehen und für sie eintreten, wenn sie angegriffen wird. Wagen wir also gemeinsam diesen Schritt, um von Erinnernden zu Handelnden zu werden.

So wie es heute hier auch die Schülerinnen und Schüler des Werner-Heisenberg-Gymnasiums tun, für deren Engagement bei dieser Veranstaltung ich mich herzlich bedanken möchte.   

Der frühere Bundespräsident Joachim Gauck hat es einmal so formuliert: „Wir dürfen niemals vergessen, dass unsere Demokratie nicht nur bedroht ist von Extremisten, Fanatikern und Ideologen, sondern dass sie auch ausgehöhlt werden und ausdörren kann, wenn Bürger sie nicht mit Leben füllen.“

Daher gilt mein Dank all jenen in dieser Stadt, die sich aktiv gegen jede Form von Intoleranz, Diskriminierung, Rassismus, Hass und Gewalt einsetzen. Den vielen Einzelpersonen, den Gruppen, Organisationen und Institutionen, den Schulen und Kirchen, die unsere Demokratie im Sinne von Joachim Gauck mit Leben füllen. Und lassen Sie mich an einem Tag wie diesem stellvertretend den Deutsch-Israelischen Freundeskreis nennen und für sein Engagement herzlich danken.       

Meine Damen und Herren,
so lassen Sie uns gemeinsam an diesem Tag und an diesem Ort unsere Verantwortung dafür bekräftigen, dass sich das unvorstellbare Leid nicht wiederholt. In Trauer verneigen wir uns vor den Opfern der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik.