Herbstlicher Vogelzug im Zoo

Dass im Herbst viele Vögel in den Süden ziehen, ist allgemein bekannt. Dass es unter den Zugvögeln Lang- und Kurzstreckenzieher gibt, haben viele sicher ebenfalls schon gehört. Dass es jedoch Ultra-Kurzstreckenzieher gibt, deren herbstliche Zugstrecke gerade mal 200m beträgt, das ist neu. „Das gibt es nur bei uns im Zoo Neuwied, und wohl auch nur dieses Jahr“, sagt Max Birkendorf lachend.

Bei den Nacktgesichtshokkos, die vor ein paar Wochen als neue Tierart in den Zoo gekommen sind, stand von Anfang an fest, dass ihr zukünftiges Zuhause die ehemalige Paradieskranich-Voliere gegenüber von den Löwen sein würde. Diese war jedoch damals noch nicht fertig umgestaltet, da sich der Auszug der Paradieskraniche verzögert hatte. „Solche Planungen sind logistisch ziemlich aufwändig“, weiß Kurator Max Birkendorf aus Erfahrung. Wenn man neue Tiere aus anderen Zoos bekommt, dann wollen die dortigen Kollegen ein Datum wissen, an dem man diese abholt. Das lässt sich dann, wenn es Verzögerungen gibt, oft nicht verschieben, da der Platz dieser Tiere vom Herkunftszoo meist anderweitig verplant wurde, zum Beispiel für neue Tiere die ebenfalls bereits in einem anderen Park auf ihren Umzug warten“. Im Fall der Nacktgesichtshokkos wurden die Vögel daher übergangsweise im Waldrevier des Zoo Neuwied untergebracht, und konnten nun in ihr endgültiges Gehege rund 200 Meter weiter südlich umziehen.

Der Grund für den verspäteten Auszug der Paradieskraniche aus ihrer Voliere ist auch der Grund für den Umzug einer weiteren Gruppe Vögel innerhalb des Zoos: Die Fertigstellung des Kranichufers, die eigentlich schon für den Sommer geplant war, verzögert sich weiter. „Wir tun, was wir können, aber die allgemeine Situation auf dem Baustoffmarkt hat sich durch Corona, die Situation in der Ukraine und die Energiekriese so verschärft, dass wir oft monatelang auf Material warten“, klagt der Vogelkurator. 

Die zukünftigen Mitbewohner der afrikanischen Paradies- und der asiatischen Saruskraniche saßen bereits seit dem Sommer hinter den Kulissen. Damit sie dort nicht noch länger ausharren müssen, wurde nun eine andere Übergangslösung gefunden: Die afrikanischen Bernierenten und Hagedasch-Ibisse sind zusammen mit den asiatischen Streifengänsen für den Winter in die Voliere der Wollhalsstörche eingezogen, die diese bereits vorher mit Weißen Pfauen, Nachtreihern und Pünktchenenten teilten. 

 „Eine Vergesellschaftung mit so vielen Arten, die sich noch dazu in der Natur nie begegnen würden, würden wir normalerweise allein aus edukativen Gründen nicht machen“, gibt Birkendorf zu. „Aber für die Tiere ist diese Unterbringung deutlich attraktiver als die Gehege hinter den Kulissen, und so können die Besucher diese schönen Vögel bereits jetzt sehen und sich auf den Moment freuen, wenn das Kranichufer endlich fertig und von seinen Bewohnern bezogen ist“, sagt der Kurator erleichtert, und ergänzt lachend: „Über die Vogelzug-Strecke knapp 200 Metern nach Süden haben die Streifengänse übrigens nur verächtlich geschnattert: Die ziehen nämlich normalerweise in Höhen von über 9000 Meter über den Himalaya, und sind damit Rekordhalter unter den Zugvögeln.“