Schichtwechsel bei den Nachtaffen

Die Lichtverhältnisse an diesem Oktobermorgen sind dürftig, daher müssen sich die Augen auf dem Weg in den Nachttierbereich nicht großartig umgewöhnen, vor allem, weil dort aufgrund des umgekehrten Tag-Nacht-Rhythmus gerade erst die Abenddämmerung eingesetzt hat. Die Nachtaffen sind trotzdem bereits wach und beobachten mit ihren riesigen Augen, welche ideal an das Leben in nächtlichen Lichtverhältnissen angepasst sind, skeptisch das Geschehen: Eine von ihnen zieht heute um, gerade wird die Transportkiste bereit gemacht.

„Nachtaffen leben üblicherweise in Paaren, mit 2-3 Jungtieren der letzten Jahre“, erklärt Kurator Maximilian Birkendorf. „Als wir 2018 mit der Haltung dieser Art begonnen haben, war im Zuchtprogramm, das die Haltung der Nachtaffen in den Europäischen Zoos koordiniert, jedoch kein passendes Paar verfügbar. In Frankfurt gab es jedoch eine Geschwistergruppe aus zwei Weibchen und einem kastrierten Männchen, für die ein neues Zuhause gesucht wurde. Also haben wir die übernommen.“

Die Geschwisterhaltung war eine Premiere fürs Zuchtbuch, denn üblicherweise verlassen die Jungtiere mit 2-3 Jahren einzeln die Gruppe, und gründen mit einem passenden Partner eine eigene Familie. Das Trio verstand sich gut, aber dennoch: „Bei uns bestand natürlich weiterhin der Wunsch, mit den Nachtaffen auch irgendwann in die Zucht einzusteigen. Denn zum einen sind Fortpflanzung und Nachwuchsversorgung ein wichtiger Teil des natürlichen Verhaltensspektrums von Tieren, und zum anderen sind Jungtiere sowohl für die Mitarbeiter als auch für die Zoobesucher immer eine tolle Sache“, erzählt Birkendorf, „Daher haben wir uns sehr gefreut, als die Zuchtbuchempfehlungen für Neuwied die Abgabe des männlichen und eines der weiblichen Tiere vorsah, und einen neuen Partner für das verbleibende Weibchen bestimmte.“

Im ersten Schritt wurde eine der Schwestern heute an den Zoo Zagreb abgegeben. Das Männchen hat sogar eine noch weitere Reise vor sich, sein zukünftiges Zuhause soll in Singapur sein. Danach ist der Weg frei für ein Männchen aus Kerzers in der Schweiz, das bereits ein erfahrener Vater ist und hoffentlich auch in Neuwied für Nachwuchs sorgt. „Dann lohnt sich der Weg hinunter in den Nachttierbereich vielleicht demnächst noch mehr als jetzt schon. Auch wenn es ein paar Minuten dauern kann, bis sich die Augen an die Lichtverhältnisse gewöhnt haben und sich die Tiersilhouetten aus der Dunkelheit schälen: Nachtaffen-Jungtiere sind so niedlich, das ist die Wartezeit allemal wert“, verspricht der Kurator.